„Wenn mich die Wut im Griff hat, ist es Zeit zu handeln“

Mehr Konflikte und Streitigkeiten in den eigenen vier Wänden: Die Corona-Pandemie setzt Paaren zu. Ursula Luschnig, unsere „Menschen in Krisen“-Bereichsleiterin, gibt Tipps zum richtigen Verhalten im Streitfall. Lesen Sie hier auch, wie man den eigenen Ängsten und Sorgen begegnen kann.

Covid-19 trifft viele Menschen in voller Härte. Jobverlust oder Kurzarbeit zwingen sie dazu, den Gürtel enger zu schnallen. Mehr noch: Nicht selten stellen sich existenzielle Fragen, wie jene, ob man den Kredit für das neue Haus auf Dauer zurückzahlen wird können. Oder, ob die Firma die Krise überlebt und damit der eigene Job gesichert ist. Dass die Einschränkungen in der Corona-Zeit Auswirkungen auf das Zusammenleben von Menschen haben, wissen auch unsere Fachleute in der Lebens- und Familienberatung. „Bei uns melden sich vermehrt Paare, die mehr Konflikte und Streitigkeiten in den eigenen vier Wänden hatten und diese mit ihren bisherigen Problemlösungsstrategien nicht mehr bewältigen können und konnten“, berichtet unsere „Menschen in Krisen“-Bereichsleiterin Ursula Luschnig.

Freiraum nicht als Zurückweisung sehen

So wandte sich ein in Kurzarbeit tätiges Paar mit zwei schulpflichtigen Kindern an die Caritas, weil es neben den Alltagssorgen, wie der schulischen Begleitung des Nachwuchses bei eigenem Homeoffice, auch Zweifel hatte, ob es die herausfordernde Corona-Zeit als Paar bestehen könne. „Beide haben sich aus Rücksicht aufeinander zurückgezogen und die sorgenvollen Gedanken für sich behalten.“ Für die diplomierte Ehe-, Familien und Lebensberaterin sowie Psychotherapeutin Luschnig ist das auf Dauer aber der falsche Weg. Besser sei es, „einander zu erzählen, was einen beschäftigt, oft ungeduldig und reizbar macht“. Davor braucht es aber eine „Allein- oder Ich-Zeit“. Auch wenn Distanz bei Partner*innen oft nicht gut angeschrieben ist, ist sie eine Voraussetzung für die Liebe. Luschnig rät dazu, voneinander getrennt einen Spaziergang zu machen, um den Kopf frei zu bekommen und so einer vielleicht schon gereizten Stimmungslage entgegenzuwirken. Luschnig: „Danach hat man wieder Gesprächsstoff über seine Erlebnisse und Gedanken. Für den Partner oder die Partnerin ist es wichtig, diese Ich-Zeit des Gegenübers nicht als Zurückweisung zu sehen, sondern sich selbst einen solchen Freiraum zuzugestehen.“

Wertvolle Tipps:

  • Gespräche über Probleme sollten geplant und zeitlich begrenzt werden.
  • Vom Vorwurf zum Wunsch: Bleiben Sie in der Kommunikation bei sich und Ihren Bedürfnissen und Wünschen.
  • Ein Problem ist ein Problem und sollte nicht die ganze Beziehung infrage stellen.
  • Wichtig ist es, immer wieder auch unbeschwerte Zeit miteinander zu verbringen.
  • Stellen Sie sich Ihre Beziehung als Schatzkästchen vor, in das Sie die schönen gemeinsamen Erlebnisse hineingeben. Dieses Kästchen muss immer wieder neu befüllt werden, damit man in schwierigen Zeiten daraus Kraft schöpfen kann.
  • Legen Sie den Fokus darauf, was in Ihrer Beziehung gut gelingt und fragen Sie nach, was Ihr Gegenüber genau meint.
  • Seien Sie achtsam, wenn sich die Situation zuspitzt. Versuchen Sie, Situationen, in denen Sie sich wie im Kreis drehen, zu erkennen und benennen. Oft hilft es, Festgefahrenes zu lösen, indem man nachfragt „worum geht es denn eigentlich?“ und manchmal auch sagt: „Ja stimmt, du hast ja recht!“
  • Wenn die Gefühle sich immer mehr aufschaukeln, die eigenen Bedürfnisse und die des*der Partner*in nicht mehr gesehen werden können und man seine Wut nicht mehr kontrollieren kann, ist es Zeit, zu handeln und den Raum zu verlassen. Atmen Sie frische Luft ein, versuchen Sie, den Boden zu spüren, holen Sie sich bei einem*r Freund*in oder telefonische Unterstützung. Verschaffen Sie sich Gehör und schlichten Ihre Gedanken.

Auch in Partnerschaften gilt der wichtige Leitsatz: Als Erwachsene sind wir für unsere Gefühle, Bedürfnisse und unser Handeln andern gegenüber selbst verantwortlich und nicht der/die Partner*in.